NEROPA: Der Feinschliff


Vielfalt und Repräsentation

Der erste Schritt, der eigentliche NEROPATM Check, führt in den allermeisten Fällen zu einer Erhöhung des Anteils an Frauenrollen.

Im Anschluss können Caster*innen durch ihre konkreten Vorschläge von Schauspielerinnen und Schauspielern die Besetzung noch weiter diversifizieren und für eine Sichtbarkeit unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen sorgen. Das machen die meisten bereits seit Jahren, mal seltener, mal häufiger. Wenn Setting, Story und Figuren es erlauben kann der Cast vermutlich so bunt und vielfältig werden wie die Welt um uns, in Bezug auf Alter, Größe, Ethnizität, Körperlichkeit, Hautfarbe, Sexualität, (Nicht-)Behinderung, Akzent / Dialekt und mehr.

Hilfsfrage: Muss diese Figur weiß, jung, gutaussehend, heterosexuell, makellos und schlank sein?

In Deutschland sind 25 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt. Ungefähr 80.000 Menschen sind gehörlos, 150.000 blind, 300 bis 800.000 schwarz, 17 Millionen haben einen Migrationshintergrund und und und. (Wie) Kommen sie in fiktionalen Formaten vor? In Deutschland gab es in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 1.890 Lebendgeburten am Tag. Wie oft sehen wir Schwangere im Fernsehen, wenn sie nicht gerade im Zentrum der Handlung stehen?

Drei Beispiele aus Großbritannien:

  • In der Serie LINE OF DUTY Staffel 3, Folge 6 kommt die Polizistin Maneet (Nebenrolle) nachts ins Büro zu einem Treffen mit zwei Kolleg/innen (Hauptrollen), sie bringt ihr kleines Kind mit, weil sie so kurzfristig keine Betreuung organisieren konnte. In der 4. Staffel, Folge 3 erwartet sie ihr zweites Kind. Das ist kein wichtiger Teil der Handlung, sie ist nur einfach schwanger und ist ansonsten ganz normaler Teil des Ermittlungsteams.
  • In dem Film VIER HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL ist David, der Bruder von Hauptfigur Charles, gehörlos. Das war nicht für die Handlung essenziell, brachte aber zusätzliche Farbe und Tiefe am Rande der Handlung.
  • in der Serie THE NIGHT MANAGER wurde die Rolle des Agenten Leonard Burr zu Angela Burr gewandelt und mit der Schauspielerin Olivia Coleman besetzt. Diese war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten schwanger, die Schwangerschaft wurde in die Rolle eingebaut.
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Alter trennt Frauen und Männer auf Leinwand und Bildschirm gleich doppelt. Zum einen sind Frauenrollen bereits ab 40 Jahren rückläufig, Männerrollen hingegen erst ab 55. Ältere Frauen werden so zu seltenen Randfiguren (siehe auch NEROPA: Artikel und Interviews). Dazu sind Frauenrollen häufig zu jung besetzt: es gibt die Mutter, die nur 12 Jahre älter ist als ihr erwachsenes, leibliches Kind. Oder die alte Bekannte aus Kindheitstagen:

  • In dem Film KEINOHRHASEN trifft der erwachsene Ludo auf Anna. Eine Rückblende zeigt, wie er sie früher geärgert hatte, Ludo und Anna als Kinder werden dargestellt von Valentin (11) und Luna Schweiger (9). Ludo und Anna als Erwachsene spielten Til Schweiger (43) und Nora Tschirner (26). Aus 2 Jahren Altersunterschied wurden mal eben 17 Jahre.
  • in den ersten beiden Staffeln der Serie THE CROWN wird Königin Elizabeth II von Claire Foy gespielt, ihre Mutter (Queen Mum) von der nur 13 Jahre älteren Victoria Hamilton. Der tatsächliche Altersabstand betrug fast 26 Jahre, – es ist zweifelhaft, ob die beiden Schauspielerinnen altersmäßig so weit auseinander wirken bzw. ob das die Make-Up-Abteilung bewerkstelligen konnte.
  • Besonders anschaulich zeigen Klassentreffen-Filme den unterschiedlichen Umgang mit dem Alter von Frauen und Männern. (siehe auch Sind Abiturienten dümmer)

Der Feinschliff nach dem NEROPATM-Check bietet die Möglichkeit, über die Erhöhung der Frauenrollenzahl hinaus die Vielseitigkeit der Rollen zu steigern.